CH Open Source Awards 2010

Die Swiss Open Systems User Group /ch/open hat am Mittwoch, 1. September 2010 im Kongresshaus in Zürich wiederum die Open Source Awards vergeben.

Mit den Auszeichnungen werden bisherige Engagements für die Förderung von Open Source Software in der Schweiz honoriert.

Aus 41 Eingaben musste die Jury in den Kategorien Business Case, Contribution und Advocacy die Besten erküren.Die Gewinner von links nach rechts: Thomas Brändle (Run my Accounts), Paul E. Sevinç (Doodle), Edith Graf-Litscher (Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit), Boris Kraft und Pascal Mangold (Magnolia)

Gewinner Business Case

In der Kategorie Business Case konnte sich die Jury nicht auf einen Sieger einigen. Somit wurden mit Run my Accounts und Doodle zwei Sieger erkoren.

Dr. Sebastian Spaeth, Open Source Forscher an der ETH Zürich und Jury-Mitglied, erklärt zu den beiden Business Case Gewinnern: „Doodle hat es geschafft, mit Hilfe von Open Source Komponenten ein erfolgreiches und weithin bekanntes Startup zu gründen. Run my Accounts ist ein innovatives Business Model, das massgeblich auf Open Source Komponenten basiert. Besonders gut gefällt, dass Run my Accounts allfällige Verbesserungen wieder an die Open Source Gemeinde zurück gibt.“Paul E. Sevinç (Doodle), Thomas Brändle (Run my Accounts)

Doodle: Wir freuen uns, den ersten Platz zu belegen. Und wir teilen ihn gerne mit Run my Accounts, denn als Unternehmer wissen wir, wie wichtig eine zuverlässige Buchhaltung ist. Open Source Software (OSS) ist unverzichtbar für Doodle. Sowohl in Entwicklung als auch in Betrieb stützen wir uns fast ausschliesslich auf OSS ab. Deshalb ist es uns wichtig, dass OSS erfolgreich ist, viele Entwickler anzieht und in vielen Projekten eingesetzt wird. Mit unserer Wettbewerbsteilnahme wollten wir einen kleinen Beitrag leisten, indem wir zeigen, dass ein grosser Dienst wie Doodle nicht zuletzt dank OSS erfolgreich ist.

Run my Accounts: Es ist für uns eine grosse Ehre, den CH Open Source Award in der Kategorie Business Case zusammen mit Doodle zu gewinnen. Wir sind stolz, dass sich Run my Accounts als Botschafter für Open Source Software einsetzen darf. Wir haben bewiesen, dass es möglich ist, durch den Einsatz von Open Source Software ein innovatives Geschäftsmodell zu kreieren. Deshalb freuen wir uns sehr über diese Auszeichnung.

Das Unternehmen Run my Accounts teilt sich den Sieg mit dem Onlineterminplaner Doodle. Run my Accounts wurde vor rund zwei Jahren mit dem Ziel gegründet, Buchhaltungsdienstleistungen in einer neuen Form anzubieten. Das Unternehmen setzt dabei konsequent auf Open-Source-Software, da ohne diese Lösungen der Programmieraufwand nicht zu bewältigen gewesen wäre. Dies war auch ein Grund für die Jury, Run my Accounts als einen der Sieger zu erklären. Mithilfe der offenen Standards ist es dem Unternehmen gelungen, unterschiedliche Systeme zu einer Einheit zu verbinden und eine völlig neue Kategorie von Buchhaltungsdienstleistung zu erschaffen. Die Kunden brauchen nur ihre Buchungsbelege als eingescanntes Dokument per E-Mail einzuschicken, den Rest erledigt das Programm. Die Open-Source-Lösungen SQL-Ledger und das Dokumenten-Management-System Alfresco machen den wesentlichen Teil der Systeme des Online- Buchhaltungsprogramms aus. Inzwischen nutzen bereits 75 Kunden das Programm und monatlich kommen neue hinzu. Thomas Brändle, CEO und Gründervon Run my Accounts und sein Team sind sehr glücklich über den Sieg. «Vor allem ist es für uns eine grosse Ehre, den Sieg mit Doodle zu teilen», sagt Brändle gegenüber der Netzwoche. Er selbst nutze Doodle schon seit längerer Zeit.

Der in der Schweiz entwickelte Online-Terminplaner Doodle teilt sich das Siegerpodest in der Kategorie Business Case mit Run my Accounts. Durch den konsequenten Einsatz von unterschiedlichen Open-Source-Technologien wie Apache, Java, MySQL, Tomcat und Debian ist Doodle ein sehr gutes Beispiel dafür, wie solche Technologien eingesetzt werden können. «Wir freuen uns, den ersten Platz zu belegen. Und wir teilen ihn gern mit Run my Accounts, denn als Unternehmer wissen wir, wie wichtig eine zuverlässige Buchhaltung ist», sagt Doodle-CEO Michael Näf. Die Pioniere der kollaborationsbasierten Terminfindung sind seit 2003 mit Doodle aktiv. Pro Monat zählt das Unternehmen heute mehr als 6 Millionen Anwender. Doodle-CEO Michael Näf rechnet auch im zweiten Halbjahr 2010 mit einem markanten Wachstum, da die Gratisprodukte von Doodle noch einmal massiv ausgebaut werden. Das Unternehmen hat sich für den Award beworben, weil Open-Source-Software unverzichtbar für Doodle ist. Mit der Teilnahme will das Unternehmen einen kleinen Beitrag leisten, indem es zeigt, dass ein grosser Dienst wie Doodle nicht zuletzt dank Open-Source-Software erfolgreich ist. Zudem gibt es dieses Jahr laut Näf noch einige spannende Neuerungen bei Doodle ? unmittelbar anstehend sind einige Erweiterungen der vertieften Kalenderintegration.

Gewinner Contribution

In der Kategorie Contribution hat Magnolia gewonnen.

Zum Contribution-Gewinner erläutert Juror Cédric Hüsler, Director of Product Marketing bei Day Software: „Magnolia bietet Hier geht es zum den Gewinnern in einem hoch kompetitiven Umfeld – dem CMS Market – eine auf Standards basierte Lösung, auf der weltweit Firmen ihre geschäftskritischen Informationen verwalten. Dabei wird die Community von Kunden und Partnern in den Entwicklungsprozess einbezogen und wiederum gewonnene Innovation an die Open Source Community zurückgegeben.Pascal Mangold, Boris Kraft

Ich finde es toll, dass durch den Award Open Source in der Schweiz besser bekannt gemacht wird. Professionelle Open Source Software bietet einen echten Mehrwert gegenüber proprietärer (also „Closed Source“) Software, wie sie vor allem in der Vergangenheit in Unternehmen und bei Regierungen anzutreffen war. Dieser Mehrwert ergibt sich zunächst mal aus der Tatsache, das ein Unternehmen wie Magnolia sich entscheidet, den Quellcode offenzulegen. Dieser zunächst einfach erscheinende Schritt hat eine ganze Reihe an Auswirkungen, deren Aufzählung den Rahmen hier sprengen würde – er bewirkt ein Kulturänderung im eigenen Unternehmen hin zu mehr Transparenz und Verantwortungsbewusstsein, und resultiert schlussendlich in einem Produkt, dass dem Kunden einen besseren Wert zu einem geringeren Preis bietet, ohne dabei klassische Unternehmensanforderungen wie Supportverfügbarkeit oder Zukunftssicherheit auszuklammern. Der Open Source Award hilft, Vorbehalte abzubauen und unterstützt den Trend hin zu Open Source Produkten. Dies ist für alle Beteiligten wichtig.

Magnolia CMS legt den Fokus auf Benutzerfreundlichkeit für Enterprise-Kunden, läuft auf der Java-Plattform und ist aufgrund breiten Standard-Supports sehr flexibel einsetzbar, erklärt Boris Kraft, CTO von Magnolia. Das CMS wird seit 2003 von der Basler Magnolia International Ltd. entwickelt, und seit 2006 existiert auch eine kommerzielle Variante des CMS. Inzwischen kommen 90 Prozent des Lizenzumsatzes aus dem Ausland, mit Kunden wie der spanischen
Regierung, der US Navy und EADS. Für Kraft ist es jedoch sehr wichtig, auch
in der Schweiz wahrgenommen zu werden, was auch ein Grund war, sich um den CH Open Source Award zu bewerben. «Ich habe mich wirklich riesig gefreut, das war die beste Nachricht der Woche, und ich habe es meinem Geschäftspartner und dem CEO Pascal Mangold gleich mitgeteilt und schliesslich
dem ganzen Team gedankt. Ich finde es fantastisch, dass unsere langjährigen Investitionen nun auch in der Schweiz wahrgenommen werden», sagte Kraft. Laut Kraft zeige die Software, wie in der Schweiz aus einer Idee ein erstklassiges Produkt entstehen kann und dass der «Schweizer Weg» ? mit Attributen wie Qualität und Langfristigkeit ? auch in so kurzlebigen Industrien wie der Softwareindustrie relevant ist.

Das Open Source Awards Team hat mit Boris Kraft von Magnolia im Vorfeld Interview gemacht. Boris Kraft erzählt wie er zu dem Projekt kam, wie die Geschichte seinen Lauf nahm und wie seine Einstellung zu Open Source ist. Hier könnt ihr es selber nachlesen: Interview mit Boris Kraft.

Gewinner Advocacy

In der Kategorie Advocacy wurde der Nationalrat Christian Wasserfallen und die Nationalrätin Edith Graf-Litscherzum den Gewinnern erkoren, welche das Co-Präsidium der Gruppe digitale Nachhaltigkeit bilden.

Jan Fülscher von den Business Angels Schweiz hebt schliesslich das Engagement der Politik-Teams hervor: „Mit Edith Graf-Litscher und Christian Wasserfallen sowie vielen weiteren National- und Ständeräten setzen sich Politiker auf höchster Ebene dafür ein, dass Open Source Software in der Politik, Verwaltung und in der Öffentlichkeit Sichtbarkeit und Anerkennung gewinnt. Frau Graf-Litscher und Herr Wasserfallen sind als Co-Präsidenten der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit massgeblich für die Erfolge und Aktionen dieser Gruppe verantwortlich.“Edith Graf-Litscher

Edith Graf-Litscher: Der Open Source Award ist der erste Preis, der mir verliehen wurde. Deshalb hat er einen hohen Stellenwert für mich.  Wenn wir den IT-Standort Schweiz vorwärts bringen möchten, brauchen wir in der eidgenössischen Politik und in der Bundesverwaltung mehr Offenheit und weniger Vorurteile gegenüber dem Open Source Bereich. Dafür werde ich mich weiterhin stark machen.

Christian Wasserfallen: Der Preis hilft unserem Bestreben, OSS in der Gesellschaft vermehrt einzusetzen. Gerne nehme ich diesen Preis im Namen der parlamentarischen Gruppe digitale Nachhaltigkeit entgegen,soll dem Team gehören und somit zur Motivation beitragen, in der Sache weiterzukommen.

Den Sieg in der Open-Source-Award-Kategorie Advocacy holten sich die Thurgauer Nationalrätin Edith Graf-Litscher (SP) und der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP) für ihr engagiertes Kopräsidium der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit. Deren Geschäftsführer ist Matthias Stürmer, Open-Source-Spezialist und Senior Advisor bei Ernst & Young. «Wir waren sehr stolz, dass wir als Gruppe diesen Sieg errungen haben. Edith Graf-Litscher und ich nehmen als Präsidium der Gruppe diese Auszeichnung sehr gern  entgegen. Was mich persönlich angeht, ist es meine erste Auszeichnung und das ist fantastisch», freut sich der gelernte Maschineningenieur Wasserfallen über den Award. Die Mitglieder der seit Sommer 2009 gegründeten Gruppe haben bis heute 13 Vorstösse beim Bundesrat eingereicht. Wasserfallen hatte 2009 den Vorstoss «E-Government-Vorhaben und Einsatz von Open-Source-Software» geschrieben, weil sich die Bundesverwaltung im Jahr 2007 eigentlich eine E-Government-Strategie auferlegt hat, die Transparenz und die Nutzung von Open-Source-Lösungen zum Ziel hatte. Doch die Realität sieht deutlich anders aus, so kommen noch heute im Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) drei unterschiedliche Windows-Betriebssysteme zum Einsatz. Graf-Litscher hat insgesamt drei Vorstösse zur Förderung von Open-Source-Software eingereicht. So fragte sie beim Bundesrat an, wie viele nicht ausgeschriebene Informatikbeschaffungen über der WTO-Schwelle von 250 000 Franken in den letzten drei Jahren von Bundesstellen getätigt wurden. Der Bundesrat antwortete darauf, dass es ganze 90 Aufträge waren, die begründet durch Ausnahmeregeln freihändig an IT-Unternehmen vergeben wurden. Die Antworten, die der Bundesrat auf die Vorstösse gegeben hat, sind laut Wasserfallen allesamt ernüchternd. Die Umsetzung der OSS-Strategie des Bundes wurde laut der Parlamentarischen  Gruppe Digitale Nachhaltigkeit klar verpasst. Dennoch wird die Gruppe ihr Ziel konsequent weiterverfolgen. «Wir werden immer versuchen, eine Diskussion in Gang zu bringen, wo wir verschiedene Ebenen und Interessenvertreter zusammen an einen Tisch bringen wollen. Dazu gehören OSS-Firmen, Hersteller von proprietärer Software, Bund, Kantone, Gemeinden und Wirtschaftsvertreter», erklärt Wasserfallen.